Gerade Longrange schießen, also das Schießen jenseits der 500m, ist in Deutschland quasi unmöglich geworden. Wer dies also auf seine Bucket List setzen möchte, muss gezwungenermaßen reisen. Obwohl die ePIG Truppe, die am T-Class Training und Wettkampf in Bulgarien teilgenommen hat, erfahrene Schützen sind, hätten sie ohne die tatkräftige Unterstützung von Tihomir Todorov, Eigentümer und Trainer der Firma Longrange Precision Bulgaria im scharfen Schuss alt ausgesehen.
Doch was ist T-Class eigentlich? Ist das das selbe wie PRS?
Nein, ist es nicht. T-Class unterscheidet sich wesentlich in den Regeln, den Wettkampfformaten und den Zielen, die die Disziplin an die Schützen setzt.
Grundsätzlich hat T-Class eine eher militärische und taktische Ausrichtung und simuliert taktische Szenarien, mit Zeitbeschränkungen und unterschiedlichen Schießpositionen, während sich PRS auf Präzisionsschießen in einer kontrollierten Umgebung spezialisiert.
Im T-Class wird neben dem präzisen Schuss auch Basiswissen abgefragt, wie Orientierung im Feld, die Zielansprache, ballistische Berechnungen und auch Arbeiten im Team.
Auch beinhaltet T-Class eine breitere Palette an Waffensystemen und anderer Ausrüstung, einschließlich Entfernungsmessgeräten, Karten und Kommunikationsmitteln.
Die Zielsetzung im T-Class schießen ist eine Kombination aus Sport und Taktik, mit Fokus auf praktischen Fähigkeiten und das Bewältigen realitätsnaher Szenarien.
Auch das Scoring und Bewerten der Ziele ist sehr unterschiedlich zum klassischen PRS.
Während z.B. ein Ziel mit 2cm Durchmesser in einer Entfernung von 100m 200 Punkte einbringt, ist das selbe Ziel in 500m Entfernung fünf mal so hoch bewertet, also 1000 Punkte. Dieses System fordert die Schützen heraus, ihre Technik anzupassen und die Risiken im Verhältnis zu den möglichen Punkten abzuwägen. High Value Targets sollten also berücksichtigt werden.
Beide Disziplinen erfordern ein hohes Maß an Präzision im Schuss und den Einsatz komplexer Technik, doch unterscheiden sie sich im Ansatz, sowie in der Philosophie.
Die Vorbereitungen solch einer Reise haben wir bereits in einem Beitrag beschrieben und es war wesentlich unkomplizierter, als erwartet.
Unsere Waffen-Setups waren folgende:
Waffensystem: HST Mars 1 Barreled Action, 26" Lauflänge
Kaliber: 6,5mm Creedmoor
Chassis: Magpul PRO 700 (Folder)
Zweibein: Harris SBRM auf ARCA-Grabber
Montage: Spuhr ISMS, 6 MIL Vorneigung (zzgl Vorneigung der Picatinnyschiene von 12 MIL)
Zierfernrohr: Minox Longrange 5-25x56
Scope Level: MDT SendIt
Mündungsaufsatz: Sinus Brake
Zubehör: Hoptic Ammo Quiver, Strike Industries LINK Picatinny Rail mit QD Slot
Waffensystem: Faxon FX7, 22" Lauflänge
Kaliber: .308 Winchester
Chassis: Vision Pro
Zweibein: Atlas CAL BT65 auf ARCA-Grabber
Montage: Spuhr ISMS (Vorneigung der Picatinnyschiene von 12 MIL) mit Raptar-Mount
Zierfernrohr: Vortex Razor Gen.2 5-25x56
Scope Level: SG Pulse
Mündungsaufsatz: Vault .30
Zubehör: Hoptic Ammo Quiver, LRP Bulgaria Gewichte
Sonstiges Zubehör, das wir als notwendig erachten:
Rear & Front Bags (vor Ort erhältlich oder ausleihbar)
Schießmatte(vor Ort erhältlich oder ausleihbar)
Festes Schuhwerk
Elektronischer Gehörschutz
Basecap
Knieschoner
Robuste Hosen
Ca 150 Patronen eingeschossene Munition (reicht für 2 Tage)
Chamber Flag (vor Ort erhältlich oder ausleihbar)
Auf der Rancho Vaquero angekommen und nach eingängigem Vergleich von und Fachsimpeln über die mitgebrachten Waffensysteme ging es auch gleich zum...
... "Confirm Zero and Velocity", dem Feststellen der Geschossgeschwindigkeiten und Bestätigen der Nullung der Zielfernrohre.
Hierbei leistete uns das Garmin Xero C1 Pro beste Dienste, vor allem, da es, aufgrund des extrem kleinen Packmaßes in jedes Handgepäck passt. Der Unterschied, sowohl in Geschwindigkeit, als auch Treffpunkt wurde uns an Tag zwei auf der Schießbahn erst richtig bewusst, da die Temperaturen um ca 15°C schwankten und eine wesentlich höhere Luftfeuchte herrschte.
Hierbei ist auch ein ordentliches Ballistikprogramm, in das man sich im Vorfeld einarbeiten sollte, hilfreich.
Fehler beim Anschlag, dem Abzugsverhalten, dem Handling der Optik oder ähnlichem wurden im schnellen Schulterschluss mit dem Trainer abgestellt.
Auch erfolgte eine Einweisung in den Trainings- und Wettkampfablauf, sowie die Schießstandsicherheit und die Verwendung der Chamber Flags.
Einen weiteren, nicht zu vernachlässigender Punkt stellt die Austarierung der Waffensysteme dar, was für das "normale" Schießen in Deutschland vollkommend überflüssig ist. Beim Schießen von Barrikaden jedoch, erleichtert dies das Aufnehmen der Treffer, oder auch der Fehlschüsse (Miss), und eine etwaige Korrektur des Haltepunkts ungemein.
Ebenfalls unerlässlich ist die Verwendung von Rear Bags (Sandsäcken für den Hinterschaft), Front Bags (vorzugsweise an einer ARCA Rail angebrachte Sandsäcke), sowie sauber ausgerichteten Wasserwaagen (sog. Scope Levels), entweder in klassischer oder elektronischer Form. Auch eine bequeme und großzügige Schießmatte ist von großem Vorteil, damit man nicht im Dreck oder gar in der Nässe liegen muss. Alle diese und weitere Gegenstände mit hervorragendem Preis-Leistungsverhältnis findet man direkt im Shop des Anwenders https://www.lrp-bg.com
Durch veränderte Temperaturen, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit kann es zu Treffpunktverlagerungen oder gar veränderten Reaktionen der Munition kommen.
Wie man hier sieht, musste das Zielfernrohr trotz eines top Streukreises um 0,2MIL nach rechts und 0,1MIL nach unten korrigiert werden.
Dies scheint erstmal irrelevant, jedoch wurde uns gleich bei der ersten "scharfen Übung im Wettkampf klar, dass die Fehlertoleranzen sehr gering sind. Vor allem, weil man nicht nur gegen den eigenen Puls ankämpft, sondern ebenso gegen einen Timer und die Gasdruckwellen der Nebenschützen.
Um jedem Teilnehmer die unerlässlichen "Fundamentals of Marksmanship" immer wieder in den Kopf zu prügeln, wurden die ersten beiden Stages des Wettbewerbs auf Papier geschossen. Dies bringt jeden noch so kleinen Fauxpas zum Vorschein und verzeiht keinen einzigen Fehler in der Schießtechnik.
So mussten die Teilnehmer in der ersten Übung, auf die untere Papierscheibe, 2m hinter ihren Waffen aufrecht stehend und nur mit eingefügtem Magazin (Verschluss geöffnet), auf das Startsignal warten, auf den "BEEP" in die liegende Position wechseln, die Auflagen und Waffen richten und auf jedes Ziel einen Schuss binnen 15 Sekunden abgeben. Hierbei war die Reihenfolge der Ziele den Schützen freigestellt. Die Ziele maßen 3x3cm, 2x2cm und 1x1cm. Gerade unter Zeitdruck stellt dies eine ordentliche Herausforderung dar und mit nur zwei Misses konnte einer der ePIGs in dieser Übung den Stage Sieg erringen.
Die zweite Übung war wesentlich anders, jedoch nicht minder kompliziert. Hier musste eine Offset-Einstellung des Zielfernrohres errechnet werden und somit ein Bereich des Fahrzeugs beschossen werden, der von einem Blatt Papier verdeckt war. Spannend und vor allem ungewohnt.
Alle weiteren Übungen wurden von unterschiedlichen Hindernissen, von B wie Barrikade bis Ö wie Ölfass geschossen. Stehend aufgelegt Ziele bis 550m zu beschießen stellt auf jeden Fall eine Herausforderung dar und erfordert einiges an Übung und auch einige Tipps und Kniffe des Coaches.
Somit ist der Auflagepunkt der Waffe nahe an deren Schwerpunkt essentiell, sowie der richtige Stand, den der Schütze jedoch auf Basis seiner Körperstatur selbstständig adaptieren muss.
Vor allem die Handhaltung der Schießhand, die, um ein Verkannten der Waffe zu verhindern eher locker ist, entscheidet auf "Alpha-Targets", hochkant 30x10cm messende Ziele, über Hit oder Miss. Vor allem um solch schmale Zielmedien sicher treffen zu können ist eine absolut waagerechte Montage der Optik und auch Haltung der Waffe unabdingbar.
Von dieser Barrikade beschossen wir aus vier unterschiedlichen Positionen jeweils zwei verschiedene Ziele auf 300m und 400m, wobei die Flugbahn des Geschosses entweder durch Klicken am Zielfernrohr oder durch "Halten" mit dem MIL-basierenden Absehen erfolgen konnte. Für die acht Schüsse inklusive Positionswechsel standen ab dem "BEEP" 90 Sekunden zur Verfügung. Hierbei wurde im Modus "Shoot to Move" gearbeitet, d.h. egal ob das Ziel getroffen oder verfehlt wurde, man musste nach jedem Schuss das Ziel oder die Position wechseln. Auch hier konnten die ePIGs wieder top Ergebnisse, darunter ein "Clean Stage" erringen.
Wiederum 90 Sekunden Zeit hatte man bei Stage 4, bei der zehn Schuss Munition geladen werden konnten. Hierbei handelte es sich um eine "Hit to Move"-Stage, bei der das anvisierte Ziel erfolgreich beschossen werden musste, um die Position wechseln zu dürfen. Hier wurde aus drei unterschiedlich hohen Positionen von...
... einem Siegerpodest aus geschossen, sowie von...
... längs und...
... quer liegenden Ölfässern aus. Gerade die Ölfässer und das quer liegende im besonderen waren aufgrund der schmalen Auflagefläche schwierig zu meisternde Unterlagen, konnten jedoch erfolgreich genutzt werden.
Egal ob Sprachbarriere oder nicht, an der Futterkrippe findet man zusammen. Uns fiel besonders positiv auf, dass die Englischkenntnisse der meisten Bulgaren besser sind, als diese selber meinen. Und nach einigen Stückchen Geburtstagskuchen lockerten sich die Zungen doch ein Bisschen.
Zumindest solange diese nicht belegt waren.
Ein weiterer Klassiker, der in Stage Fünf zum Einsatz kam, ist die "Tank Trap", eine einer Panzersperre nachempfundene Auflage, deren Nutzung am Anfang wahnsinnig kompliziert erscheint, jedoch...
... nach Tipps und einiger Eingewöhnungszeit deutlich an Schrecken verliert. Tatsächlich konnten wir von diesem Hindernis aus erfolgreich Ziele bis zur Maximaldistanz treffen.
Auch hier war eine top ausbalancierte Waffe von enormem Vorteil, da die Auflagefläche extrem klein und kantig war.
Nach den ersten beiden Schüssen von der "Tank Trap" wechselte man für weitere vier Schüsse aus zwei Positionen auf ein Schrägdach und danach wiederum an die Panzersperre um etwaige Fehler aus der ersten Position ausmerzen zu können.
Abseits des Wettkampfs sind solche Reisen besonders dann gewinnbringend, wenn man auf Land und Leute und auch auf deren Erfahrungen eingeht. Mit Tihomir Todorov von Longrange Precision Bulgaria hat man einen Coach an der Hand, der nicht nur Online-Weisheiten predigt, sondern das Präzisionsschützenhandwerk von der Pike auf gelernt hat.
Aufgewachsen an den Ufern der Donau, im Grenzgebiet zu Rumänien, diente er zuerst einige Jahre bei den Grenztruppen, bevor er in den Militärdienst und später die Spezialkräfte der Bulgarischen Armee eintrat. Nach seiner Dienstzeit leitet er nun ein 24/7 Close Protection Team und bringt interessierten Teilnehmern das Schießen mit Kurz- und Langwaffen bei, wobei seine Liebe und Hingabe dem Schießen mit Präzisionsgewehren gilt.
Doch nicht nur "Tiho", sondern die ganze Mannschaft, die sich aus allen gesellschaftlichen Schichten und Geschlechtern auf der Schießbahn zusammengefunden hat, zog an einem Strang. Egal ob beim Auf- und Abbau, beim Spotten und Auswerten, oder einfach nur beim Blödeln, Schützen verbindet mehr als nur der Sport.
Vom blutigen Anfänger mit einer Jagdbüchse und Teilmantelmunition bis hin zu drei Mitgliedern der Bulgarischen Nationalmannschaft mit High End Custom-Waffen fühlte sich jeder Teilnehmer gut aufgehoben. Das Trainingsangebot von Longrange Precision Bulgaria geht auf jeden Anwender und jedes Setup gezielt ein und ist bestimmt auch für den Jäger von Welt interessant.
Und natürlich bieten solche Happenings auch immer die Möglichkeit, neue Ausrüstungsgegenstände auf Herz und Nieren zu testen, sei es, wie hier die Sinus Brake, oder...
... das ganze, mit Liebe und Herzblut zusammengestellte Waffensetup, bis ins kleinste Detail.
Wir werden auf jeden Fall wiederkommen, nicht nur um zu trainieren oder gegeneinander im Wettstreit anzutreten, sondern auch um alte und neue Freunde wieder zu sehen, zu schlemmen und die berühmten Stammtischgespräche zu führen.
Jeder Tag am Schießstand ist besser als der beste Tag in der Arbeit.
Gut Schuss!!! All Skill, No Luck!!!
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